Weilheim und die Regionalstadtbahn

So war der Plan: Die Linie 19 sollte nicht nur Zubringer sein

Nach dem Bürgerentscheid ist das Thema erledigt, doch zuvor hat das Thema Regionalstadtbahn für heftige Diskussionen gesorgt. DorfLeben hatte im Juni 2020 zu einer Veranstaltung dazu in die Rammerthalle geladen. Dabei stellte Steffen Thomma, Planer vom Zweckverband Regionalstadtbahn Neckar-Alb, die damals geltenden Neuerungen zur Zukunft der Buslinie 19 vor. Die bisherige Anbindung Weilheims an Hauptbahnhof, Innenstadt und Kliniken sollte doch nicht auf einen Zubringer-Shuttle reduziert werden.

Das war seit 2018 der Plan für den Anschluss Weilheims an die Stadtbahn gewesen. Die Verkehrsplaner waren mit ihren Änderungen Bedenken der Neckartäler entgegengekommen. Die Buslinie sollte weiterhin in Bühl starten, über Kilchberg und Weilheim bis zum Freibad, respektive den neu einzurichtenden Stadtbahn-Haltepunkt Mühlbachäcker führen, dann abknicken und durch den Schlossbergtunnel und über die Westbahnhofstraße bis zum Kelternplatz und dann weiter hoch zu den Kliniken reichen. Die Altstadt würde damit quasi von hinten angesteuert. Wer allerdings zum Hauptbahnhof will, müsste am künftigen Haltepunkt Weilheim auf die Stadtbahn umsteigen.

Man habe auch geprüft, was es bedeuten würde, den Bus in Weilheim über den Gänsegarten und die Talstraße zu führen, so Thomma. Wegen der längeren Fahrtdauer befürchte man aber Verluste von Busnutzern, sodass man von dieser Variante abgesehen habe.

Diese Ideen sind nun freilich Makulatur. Wir lassen sie hier dennoch für einige Zeit stehen. Wer weiß, vielleicht werden mit neuen Ideen einige Komponenten wiederbelebt.

Was wird aus unserer 19er-Buslinie, wenn die Regionalstadtbahn fährt?

Hitzig war’s bei der Informationsveranstaltung von DorfLeben in der Rammerthalle (Freitag, 18 Juni) – nicht nur wegen der hochsommerlichen Begleitumstände. Kurz vor der städtischen Informationsveranstaltung zu den Ergebnissen der Prüfung von Alternativen zur Innenstadtstrecke bot sich den beiden konkurrierenden Bürgerinitiativen pro und contra Innenstadtstrecke die Chance zu einem Testlauf unter Wettbewerbsbedingungen: Rund 50 Bürgerinnen und Bürger aus Weilheim (einige auch aus Kilchberg) zeigten Interesse.

Viel Zeit für Stimmenfang ist nicht mehr, am 26. September – parallel zur Bundestagswahl – sollen die Tübingerinnen und Tübinger über die Innenstadtstrecke abstimmen.

Thomas Helle und Eberhard von Brunn redeten einer Ablehnung der Innenstadtstrecke das Wort. Unüberschaubare Kosten, hohe Umweltbelastungen durch den Bau und ein effektiverer Klimaschutz durch sofort einsetzbare Elektrobusse waren ihre Hauptargumente.

Walter Heim und Christoph Joachim plädierten für die Innenstadtstrecke, weil sie staugeplagten Stadtteilen Entlastung bringe. Die Kritik an der Erneuerung der

 Eberhardsbrücke über den Neckar laufe ins Leere, weil diese ohnehin über kurz oder lang ersetzt werden müsse. Die Kosten seien beherrschbar.

Steffen Thomma vom Zweckverband Regionalstadtbahn Neckar-Alb stellte den aktuellen Planungsstand dar, der einige Überraschungen enthält.

Die Regionalstadtbahn zieht auf diversen Linien quer durch die Region, zwischen Ammertal und Ermstal, zwischen Albstadt und Tübingen; Weilheim liegt an der „Oberen Neckarbahn“ zwischen Horb, Rottenburg und Tübingen. Den Plänen zufolge soll dereinst zwischen Horb und – dann auf der Innenstadtstrecke – Tübingen-Waldhäuser-Ost in Hauptverkehrszeiten alle 30 Minuten eine Bahn verkehren.

Dazwischen verkehren Trambahnen zwischen Rottenburg und dem Tübinger Hauptbahnhof, sodass  für Weilheim in den Hauptverkehrszeiten alle 15 Minuten eine Verbindung zum oder vom Hauptbahnhof bestehen soll. Übrigens hält die Regionalstadtbahn auch vor dem Hauptbahnhof an einer Haltestelle Mühlbachäcker/Freibad. Die Haltepunkte in Kilchberg und Bühl sollen hergerichtet werden, ebenso wie der in Weilheim. Die ganze Strecke wird elektrifiziert.

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Aktuell fährt der 19er-Bus montags bis freitags gut 50mal von Weilheim in die Stadt, davon 28mal bis zur BG, 23mal zum Hauptbahnhof, samstags gibt es 33 Busanbindungen, allerdings alle nur bis zum Bahnhof. Das gilt auch für die 20 Verbindungen sonn- und feiertags. In der Gegenrichtung ist es ähnlich; bis Rottenburg weiter führen montags bis freitags 13, samstags sieben, sonn- und feiertags fünf Verbindungen.

Um den außerhalb Weilheims liegenden Haltepunkt leichter erreichbar zu machen, war bisher gedacht, die Buslinie 19 künftig zwischen Kilchberg und dem Haltepunkt Weilheim als Zubringerbus pendeln zu lassen. Davon ist man offensichtlich abgekommen. Der Bus soll wie gehabt in Bühl starten und über Weilheim zum  Freibad, dann durch den Schlossbergtunnel in die Innenstadt und weiter zu den Kliniken fahren. Wer zum Hauptbahnhof will, muss allerdings am Haltepunkt Weilheim in die Stadtbahn umsteigen.

Zwar habe man, so Thomma, geprüft und für unwirtschaftlich empfunden, den Bus eine Runde über

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den oberen Ort zum Gaasgarda drehen zu lassen. Doch sollte der politische Druck groß genug sein, sei vorstellbar, dass dies in den Fahrplänen doch noch eingearbeitet wird. Das machte es für Fahrgäste vom oberen Ort angenehmer, den ÖPNV zu nutzen. Bis zur Realisierung der Stadtbahn werde es ohnehin noch bis 2030 dauern. Die dann wirklich geltenden Busfahrpläne würden etwa zwei Jahre vorher entwickelt, so Thomma.

Neu für Weilheim wäre eine Buslinie 3, die am Haltepunkt Weilheim beginnt und über die Haltestelle „Kneiple“,  Derendingen, das Mühlenviertel, Steinlachallee, Hegelstraße, Hauptbahnhof, Stadtgraben, Weststadt bis Hagelloch führen soll. Dabei war die Rede von einem 30-Minuten-Takt. Diese Busverbindung ist für die Planer vor allem wegen der Gegenrichtung sinnvoll, weil sie Fahrgäste aus der Südstadt und Derendingen zu einer Anbindung an die Strecke nach Rottenburg und Horb bringt und den Hauptbahnhof als Umsteigeort entlastet.

Zu den Vortragsfolien von Steffen Thomma geht es hier

Ergebnisse der Verkehrsmittelumfrage von DorfLeben in Weilheim

86 ausgefüllte Fragebögen sind bei DorfLeben zurückgekommen. HIer sind die wesentlichen Ergebnisse der Befragung

  • 44 Prozent der Befragten würden den Bus nicht mehr nutzen (oder zumindest darüber nachdenken), wenn sie umsteigen müssten
  • 46,5 Prozent der Befragten akzeptieren zehn Minuten Fahrzeit bis zum Hauptbahnhof.
  • Keiner der Unter-20-Jährigen will länger als zehn Minuten fahren
  • Die Innenstadt als Fahrtziel dominiert durch alle Altersgruppen hindurch, bei Täglich-Fahrern beträgt der Anteil 64 Prozent, bei Selten-Nutzern sogar 95 Prozent.
  • Bei den Alternativen zum Bus sind Fahrrad und Auto bis zur Altersgruppe der Unter-80-Jährigen ausgeglichen.
  • Erst bei Befragten, die 80 und älter sind, wird das Auto wichtiger als das Fahrrad.

Unser Fazit:

  • Für Weilheim ist eine schnelle Verbindung in die Innenstadt (zehn Minuten) entscheidend. Das ist für eine nutzerfreundliche Planung von Umsteige- und Wartezeiten zu beachten; zu viel Umsteigen und zu langes Warten wird sich negativ auf die Nutzung auswirken.
  • Beim Thema Radfahrer und Radwege darf man nicht nur Schüler und junge Menschen vor Augen haben, die Älteren bis 80 spielen eine signifikante Rolle.
  • Für betagte Senioren braucht es ein anderes Mobilitätsangebot als Bus oder Bahn, um sie vom Auto abzuhalten: Wäre denkbar, mit einem Kleinbus eine Direktanbindung in die Innenstadt anzubieten
 

Zu den DorfLeben-Ergebnisfolien geht es hier

Hinter diesen Links liegen Informationen und Meinungen

https://www.regional-stadtbahn.de/ Homepage des Zweckverbandes Regional-Stadtbahn Neckar-Alb mit Sitz in Mössingen. Er übernimmt „die rahmengebende Planung, Koordination und Repräsentation des Projekts sowie alle Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung des Verkehrsbetriebes der Regional-Stadtbahn Neckar-Alb“. Auf der Homepage finden sich zum Beispiel Beschreibungen zu den Linienführungen oder zu den Fahrzeugen. Beim Regionalverband Neckar-Alb können erste Studien eingesehen werden.

https://www.tuebingen.de/regionalstadtbahn Auf dieser Website finden sich insbesondere Materialien und in Gemeinderat und Ausschüssen vorgestellte Planungen und Studien zur Innenstadtstrecke der Regionalstadtbahn. Dort ist auch eine Aufzeichnung der Veranstaltung vom Oktober 2020 zu finden, bei der Alternativen zur Innenstadtstrecke vorgestellt wurden.

https://www.neinzurstadtbahn.de/Die Homepage der Gegner der Innenstadtstrecke, hier werden zu verschiedensten Aspekten deren Zweifel an den Voraussetzungen und Behauptungen der Innenstadtstrecken-Befürworter dargelegt.

http://www.tuebiss.de/ Homepage von Befürwortern der Tübinger Innenstadtstrecke; hier findet sich etwa eine Liste von Fragen und Antworten zu allen möglichen Gesichtspunkten bei Planung, Betrieb und Bau der Innenstadtstrecke. jazutuebingen.de macht sich ebenfalls für die Regionalstadtbahn und die Innenstadtstrecke stark.